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Was jeder über Calvin wissen muss

Wenn man in Deutschland nach Calvin fragt, bekommt man meistens wenig Antworten. Wer war dieser einflussreiche Theologe? Was muss jeder über Calvin wissen?

Wenn man in Deutschland nach Calvin fragt, bekommt man meistens wenige Antworten. Er ist im Schatten Luthers fast verschwunden. Dennoch gilt: Ohne die deutsche Reformation Martins Luthers ist Calvin nicht denkbar, wie umgekehrt gilt, dass Luthers Reformation ohne Calvin eine historische Episode geblieben wäre. Schließlich war es Calvin, der in der zweiten Generation nach Luther die reformatorischen Gedanken viel konsequenter durchdenken konnte, als Luther es getan hat. Luther stand in vieler Hinsicht noch mit beiden Füßen im römisch-katholischen Mittelalter. Calvins klares Denken führte die Ideen Luthers weiter und er überzeugte damit so sehr, dass sich viele evangelische Christen in der Schweiz, in den Niederlanden, Schottland, Ungarn, Nord-Amerika, Süd -Afrika, Süd-Korea usw. bis heute Calvinisten nennen. Die weltweite Verbreitung des reformatorischen Denkens und der Einfluss der Reformation auf die Neuzeit kann ohne Calvin nicht verstanden werden.

Wer also war dieser einflussreiche Theologe? Was muss jeder von Calvin wissen?

 

Johannes Calvin wurde 1509 al Jean Cauvin in Noyon, einer Stadt in Nordfrankreich geboren. Sein Vater war dort Notar am Domkapitel und hatte damit eine gehobene Stellung in der (katholischen9 Kirchenverwaltung. Es zeigte sich bald, dass Jean ein heller Knabe war und deshalb sollte er eine klassische Ausbildung bekommen. Am strengen College de Montaigu in Paris lernte er Latein und Rheotrik. Sein Vater wünschte, dass Jean Jura studieren sollte. An der Pariser Sorbonne und an der Universität von Orleans kam Johannes Calvin in Kontakt mit berühmten humanistischen Gelehrten, die „ad fontes“ nach den römischen und griechischen Quellen der westlichen Zivilisation suchten und das mittelalterliche Denken ablehnten. Humanisten gaben sich mit der lateinischen Vulgata-Bibel nicht zufrieden, sie studierten den Urtext in Griechisch und Hebräisch. Hier wurde Calvin mit dem Denken von Erasmus von Rotterdam und Martin Luther konfrontiert.

Insbesondere sein Freund, der Rektor der konservativen Pariser Sorbonne, Nicolaus Cop, war dem humanistischen und evangelischen Denken zugetan. Als Cop an Allerheiligen 1533 eine Predigt mit lutherischem Gedankengut hielt, wurde er alsbald der Ketzerei beschuldigt und musste fliehen. Auch Calvin wagte es nicht länger in Paris zu bleiben. Im Oktober 1534 fand eine schreckliche Verfolgung von reformiert denkenden Christen statt, einige wurden sogar als Ketzer getötet. Calvin hat ab Dezember 1534 bis zu seinem Lebensende außerhalb Frankreichs gelebt und gewirkt: Basel, Straßburg und Genf.

Calvin fand in Basel endlich Zeit, seine Gedanken zu ordnen. Hier veröffentlichte er seine erste kleine theologische Schrift:“ Unterricht in der christlichen Lehre“, kurz „Institutio“ genannt. Die Schrift war gerichtet an den französischen König Fran I, der das reformierte Denken streng verboten hatte. Calvin versuchte, ihn mit seiner „Instituito“ von der Schriftgemäßheit der protestantischen Theologie zu überzeugen. Die Schrift fand starke Verbreitung, was nicht zuletzt Calvins klarer juristischen Denkstruktur und seinen rhetorischen Qualitäten zu verdanken war. Die „Institutio“ sollte Calvin im Laufe seines Lebens immer wieder überarbeiten und von sechs auf achtzig Kapitel (im Jahr 1559) ausweiten. Die Grundstruktur blieb aber immer gleich. In Calvins sehr lebensnaher Theologie hängen Selbsterkenntnis und Erkenntnis Gottes eng zusammen. Gott lässt sich nicht rational beweisen, es gibt im engeren Sinne kein „Wissen“ über Gott zu vermitteln. Man kann aber sich selbst nicht erkennen, ohne Gott zu kennen. Und Gott kann ich nur erkennen, wenn ich mich auf eine Beziehung mit ihm einlasse. „Erkennen“ heißt Wissen mit Herz und nur auf diesem Weg kann ich Wahrheit finden. Calvin ist davon überzeugt, dass ich mich, um Ich-selbst zu werden, ganz und gar Gott anvertrauen muss.

Wir brauchen Gott, um als Mensch überhaupt zu sein und etwas zu können. Wer sieht, wozu der Mensch imstande ist (und Calvin lebte in einer Zeit von Krieg und Elend) weiß, dass der Mensch unvollkommen ist und von Gott entfernt lebt. Diese Gottvergessenheit ist die Sünde, die an jedem Menschen haftet. Wir können als Menschen nicht viel und vor allem können wir uns nicht an den eigenen Haaren aus unserem Sumpf ziehen. Aber Gott sei Dank wissen wir durch die Bibel und durch die Verkündigung von Jesus Christus: Er hat uns erlöst. In ihm erkennen wir, wie Gott ist. Gott ist unser Ursprung (Schöpfer) und Erlöser (in Jesus Christus). Er hat uns gezeigt, wie wir richtig leben können und er ist unser Bündnispartner in der Verwirklichung seines Reiches. Der Sinn des Lebens kann nur darin bestehen, dies in Dankbarkeit zu akzeptieren, nach der Intention Gottes zu leben und durch unser Handeln in der Welt Gott die Ehre zu geben. Um die besondere erlösende Rolle Jesu Christi zu verankern, spricht Calvin von den drei Funktionen („Ämtern“) Christi, eine Unterscheidung, die weite Verbreitung gefunden hat. Jesus Christus ist König, Priester und Prophet. Als König führt er die geistige Herrschaft über mein Leben und hilft in der Not. Als Priester ist er Mittler zwischen Gott und Mensch und schenkt uns Versöhnung. Als Prophet zeigt und verkündet er Gottes Botschaft und lehrt uns Gott zu erkennen.

Im Jahr 1536 wollte Calvin von Basel nach Stra0burg reisen, um zu sehen, ob er dort als Pfarrer in der französisch-reformierten Flüchtlingsgemeinde arbeiten könnte. Durch einen Krieg zwischen Frankreich und dem deutschen Kaiser musste er einen Umweg über Genf machen. Die Bürgerschaft von Genf hatte sich gerade im Mai 1535 von dem herzog von Savoyen und dem Einfluss des katholischen Bischofs und der Priester befreit. Nun versuchte die Stadt sich ein protestantisches Profil zu geben. Es war Farel, der Calvin überzeugte, in Genf zu bleiben und die Kirche umzustrukturieren(„re-formieren“). Für so eine gründliche Reformation reichte es Calvin nicht, dass in der Stadt nur „das Wort Gottes rein gepredigt „werden sollte (so Luther). Das Wort sollte „lauter gepredigt und gehört“ werden. Für das richtige Hören müssen die Christen empfänglich gemacht werden und wenn das Evangelium richtig gehört wird, werden sie ihm auch in ihrem Handeln nachfolgen. Nicht nur die Köpfe, das ganze Leben sollte reformiert werden.

Der Versuch Farels und Calvins, den Lebenswandel der Menschen zu beeinflussen, ja sogar falsches Verhalten durch den Ausschluss vom Heiligen Abendmahl zu bestrafen, passte dem Genfer Magistrat aber bald immer weniger. Sie hatte sich gerade von der Fremdherrschaft von Savoyen und vom Bischof befreit. Schon 1538 musste Calvin Genf verlassen. Zwei Jahre später als geplant kam er in Straßburg an.

Drei glückliche Jahre verbrachte er hier als Lehrer an der Lateinschule und als Theologe. Er konnte sich mit anderen evangelischen Theologen, wie Phillip Melanchthon und Martin Bucer auseinandersetzen. Er heiratete die Witwe Idelette de Bure.

Aber schon 1541 berief der Genfer Magistrat Calvin wieder in seine Stadt, um das Reformationsprojekt weiter voranzutreiben.

Nun entwickelt Calvin seine Kirchenordnung weiter und richtet eine fast demokratische Kirchenstruktur ein. Die Leitung der Kirche liegt bei einem Gremium, Konsistorium oder Presbyterium genannt, und ist vergleichbar mit einem Kirchenvorstand. Das Gremium hat vier Funktionen: Pastoren, Doktoren, Älteste und Diakone. Der Pfarrer hat im Konsistorium zwar den Vorsitz, aber ist „primus inter pares“ (Erster unter Seinesgleichen) und hat nur eine Stimme. Der Kirchenvorstand ist die Leitung der Kirchengemeinde.

Die Stadt Genf wurde vom Stadtrat regiert und es gab eine klare Trennung zwischen den Aufgaben von Kirchen und Stadt. Calvin war nie Mitglied im Stadtrat und Genf kann daher keine Theokratie („Gottessherrschaft“) genannt werden. Die sog. „Kirchenzucht“ versuchte mit theologischen Mitteln den Lebenswandel der Christen zu reformieren. Die wichtigste Sanktion bestand in dem Ausschluss aus der Abendmahlsgemeinschaft. Wichtigstes Augenmerk lag dabei (biblisch begründet) auf der Bekämpfung von Prostitution, Alkoholsucht, Völlerei, Armut und gesellschaftlicher Ungleichheit.

In dieser Zeit wurden die konfessionellen Gegensätze in Europa immer stärker und die Verfolgung von evangelisch Denkenden in Frankreich so stark, dass Genf immer mehr Flüchtlinge aufnehmen musste. Dies stärkte die reformatorischen Kräfte in der Stadt. Ab 1555 (dem Jahr des Augsburger Religionsfriedens, in der die Lutherische Konfession in Deutschland politisch anerkannt wurde) war ganz Genf calvinistisch. Von Genf aus verbreitete sich der Calvinismus in Deutschland: Pfalz (Heidelberger Catechismus 1563), Nassau, Emden, Bremen. Auch gelangte der Calvinismus in die Niederlande (hier wurde er 1579 zur bestimmenden Konfession), nach Schottland (John Knox), England (die Presbyterianer und späteren Puritaner), nach Amerika, Ungarn usw.

Im Mai 1564 starb Calvin. Auf seinem Grab befindet sich auf seinen Wunsch kein Grabstein, damit kein Persönlichkeitskult entstehen konnte. Im Februar 1564 schrieb er in seiner Abschiedsrede.“ Ich habe viele Schwächen gehabt, die ihr ertragen musstet, und selbst all das, was ich getan habe, ist im Grunde nichts wert… Darum bitte ich Euch, dass Ihr mir das Schlechte verzeiht. Wenn es aber auch etwas Gutes gegeben hat, so richtet Euch danach und befolgt es!“

Pfarrer Roger Frohmuth


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