Von den Steinen lernen - Oberzent-Schüler reinigen Stolpersteine
Zweimal im Jahr geschieht dies. Vor zwölf Jahren wurden diese in Beerfelden zusammen mit dem Künstler Gunter Demnig verlegt, vor allem in der Gammelsbacher Straße. Sie erinnern vor den Wohnhäusern der früheren jüdischen Bürger an deren Deportation und spätere Ermordung durch die Nazis.
Hilde Reinheimer, 1930 geboren, hatte Trisomie 21. Das Mädchen mit Downsyndrom ging mit Hilde Bormuth, einer kürzlich verstorbenen Zeitzeugin, in eine Klasse und wurde vom damaligen Lehrer Kuchenbeiser oft mit der Faust geschlagen, wenn sie etwas „nicht gewusst“ hatte. Auch für Hilde Reinheimer und ihren Bruder Julius aus der Gammelsbacher Straße 9, die zusammen mit ihrem Eltern 1942 deportiert und ermordet wurden, „haben wir im Jahr 2012 Stolpersteine verlegen lassen“, erzählt Siefert. Bei jedem Rundgang rechnen die Jugendlichen nach, wie alt die beiden Kinder wurden und stellen fest, dass sie fast im gleichen Alter sind.
Für die Eltern war es damals nicht leicht in Beerfelden. Viele Freunde und Bekannte waren ausgewandert. Doch die Reinheimers konnten sich das nicht leisten. Außerdem hingen sie an Beerfelden. Es war ihre Heimat. Sie wollten nicht weg. Und so schlimm würde es doch nicht werden, dachten sie. Immerhin hatten sie Freunde im Ort. Es kam anders.
Ein Beispiel für so viele Menschen, die aus ihrem Leben gerissen wurden, „deren wir als Schule mit der Pflege der Stolpersteine gedenken“, um die Erinnerung an sie aufrechtzuerhalten und als Denk- und Mahnmal ins Bewusstsein zu rücken, sagte die ehemalige Lehrerin Conny Frank. Die Schüler haben sich mit Hingabe der Pflege gewidmet, freute sie sich. Darüber kamen sie ins Gespräch über die Schicksale der jeweiligen Menschen, deren Stolpersteine sie säuberten und ihnen so wieder Glanz verliehen. Getreu dem Motto „Hinsehen, aufstehen, achtsam miteinander umgehen“, das in der Stiftung der ehemaligen Lehrerin Johanna Käpernick-Krämer zum Ausdruck kommt.
Die Geschichte hat die Schüler bewegt, so Siefert. Die Kinder waren von den Nationalsozialisten aus dem Haus geholt, am Metzkeil auf einen Lastwagen gesetzt, von dort zur Sammelstelle nach Darmstadt und dann ins KZ gebracht worden. „Stolpersteine zu verlegen ist eine wichtige Sache“, betonte Siefert. Noch wichtiger seien die kontinuierliche Pflege und das Erinnern, „was wir uns als Schule zur Aufgabe gemacht haben“.
An der zerstörten Synagoge wurde bereits 2010 eine Gedenktafel angebracht. Ein weiterer Stolperstein kam 2016 hinzu: für den in den letzten Kriegstagen durch Nazi-Schergen ermordeten 32-jährigen Soldaten Herbert Creutzburg, der auf dem Platz vor der Martinskirche am 25. März 1945 gehängt wurde.
Bernd Siefert