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Vielschichtiger Jubel in der Martinskirche

Im letzten Jahr noch prägten viele auf die Pandemie Bezug nehmende und nachdenklich stimmende Texte und Melodien das Konzert der von Iris Thierolf geleiteten Beerfelder Chöre und der Kurpfalzphilharmonie in der Martinskirche.

Dieses Jahr wurde – vielleicht auch als Signal der Befreiung von einem gerade für Chöre extrem belastenden Druck – zu einer von Iris Thierolf komponierten Missa Jubilate Deo eingeladen. Also ausdrücklich zu einer Jubelmesse, die mit zwei weiteren Werken aus Thierolfs Feder, einem Capriccio für Violine und Orchester und einer Fantasie über den Spiritual „Go down, Moses“ angemessen vorbereitet wurde.

Ein voll besetztes Gotteshaus, ein gewaltiger Chor, der sich aus Kirchen-, Jugend. Kinder- und Projektchor sowie den Swinging Ladies zusammensetzte, 30 Instrumentalisten und drei Gesangssolisten – alleine der Anblick imponierte! Und natürlich war es dramaturgisch naheliegend, den Abend mit einem reinen Orchesterwerk zu eröffnen: Lyrisches und Virtuoses wusste Arne Müller als Solist bei dem sehr kurzweiligen und vielfarbigen „Capriccio“ zu gestalten und konnte sich bei den an einen Czardas erinnernden Beschleunigen der Melodien auf die höchst aufmerksam mitgehenden Streicher und Holzbläser der Kurpfalzphilharmonie verlassen.

Mit einem um Blechbläser und Schlagwerk vergrößerten Orchester ging es weiter, und recht schnell stellte sich heraus, dass diese Erweiterung beste Gründe hatte: Was für ein gewaltiger Chorklang erwuchs da bei dem berühmten Spiritual – auch der Projektchor hatte nun die Bühne betreten! Und entsprechend dem Titel „Fantasie über Go down, Moses“ hatte Iris Thierolf bei den Veränderungen alle Register ihrer offenbar unbändigen musikalischen Vorstellungskraft gezogen: Feine kammermusikalische Abschnitte, jazzige Bläserepisoden und dann wieder monumentale Klangbäder erfüllten die Kirche – alleine diese beiden Eröffnungswerke ließen staunen, und dabei stand das Hauptwerk noch bevor!

In der Missa Jubilate Deo dann die letzte Erweiterung: Der stattliche Kinderchor und die Solisten Giorgia Cappello (Sopran), David Krahl (Tenor) und Carl Philip Weber (Bariton) kamen hinzu. Und schon bei den Kyrie-Rufen wurde klar, was für eine großartige Bereicherung die professionellen Stimmen waren, von denen die beiden Männerstimmen sogar ihre Heimat im Odenwald haben: Immer wieder nutzte das Gesangstrio die Möglichkeit, in Koloraturen zu glänzen und sich in längeren völlig unbegleiteten Passagen intonationsrein und klangschön zu zeigen.

Die Jubelmesse insgesamt wich durch mehrere Einfügungen mit deutschen Texten vom strengen lateinischen Mess-Ritus ab – und sicher waren es gerade diese, die das Werk so außergewöhnlich machten: Thierolf war es offensichtlich ein Anliegen, auch eine Botschaft über das Wort an die Zuhörerinnen und Zuhörer zu richten. Diese Texte waren von ganz besonderer Schönheit und sorgten im Publikum immer wieder sichtbar für ganz besondere Anrührung: Die so frohmachende „Morgenwanderung“ von Emanuel Geibel, das unbekümmerte „Ich freue mich“ von Friedrich Rückert, „Schläft ein Lied in allen Dingen“ von Eichendorff als ganz besonders bemerkenswerte Vertonung im Stil orientalischer Musik, „Abendständchen“ vom gleichen Komponisten, „Guten Abend, gut‘ Nacht“ mit einem wunderbaren Solo des Kinderchors gemeinsam mit David Krahl und zum Schluss ein Nachtlied mit Texten von Eichendorff, Klepper und weiteren Autoren.

Dem standen die traditionellen Teile der in dieser so vielschichtigen Jubel-Messe in nichts nach: Der Thierolf‘sche Einfallsreichtum machte immer wieder Staunen, denn: Wer erwartet schon ein Gloria im ungewohnten 7/8-Takt? Oder ein Credo, das einem irischen Folk-Festival Ehre gemacht hätte? Oder einen ganz munter singenden Kinderchor, der alleine das Sanctus eröffnet?

Und dass ein Chor in nur fünf Monaten in der Lage war, nie zuvor gehörte Klänge und Töne so einzustudieren, dass ein grandioser Klang das Publikum berauschte, mag man kaum glauben. Doch wer die nie auch nur einen Ton unbedacht lassende Kirchenmusikerin beim Dirigat erlebt, weiß, wo derlei herkommt: Stimmen werden geöffnet, Menschen lernen, sich loszulassen und spüren Sicherheit im Gemeinschaftserlebnis – man vertraut einander.

Davon anstecken ließ sich offensichtlich auch die Kurpfalzphilharmonie, die die Begeisterung an der Musik teilte und mit zahlreichen Solopassagen einzelnen Orchestermitgliedern Gelegenheit zur Auszeichnung gab.

Nicht enden wollender Beifall trotz Zugabe und ganz viele Blumen für die gefeierten Solisten und natürlich Iris Thierolf – Beerfelden und wohl auch die ganze Oberzent weiß, was es an diesem musikalischen Tausendsassa hat!

Bericht aus dem Odenwälder Echo vom 23. September 2023


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