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Publikum hielt es nicht auf den Plätzen

Bestens besuchtes Konzert zum Abschluss des Gospelprojekts in der Martinskirche

Die bleierne Stille der vergangenen eineinhalb Jahre ist allen noch bewusst und auch gegenwärtig. Sie lag über dem Land, aber ganz besonders über seinen Kirchen lag. Erst gab es ein vollständiges Verbot des Abhaltens von Gottesdiensten selbst an den ganz markanten Feiertagen wie Ostern und Weihnachten, später dann zwar die Erlaubnis, die aber auf die reine Verkündigung nur mit dem Wort und rein instrumentaler Musik beschränkt war.

Wie dankbar wurde da wahrgenommen, dass die Entwicklungen der letzten Monate es zunehmend möglich machen, ein ganz wichtiges Medium zu nutzen, das schon seit Jahrtausenden die Menschen Weise verbindet – den Gesang.

Beim Konzert des von Iris Thierolf initiierten und geleiteten Gospelprojekts in der Martinskirche Beerfelden kam ein weiteres Element hinzu, dass die Musik der in der Sklaverei gedemütigten Afroamerikaner bis in die heutigen Tage so fasziniert und weltweit populär gemacht hat. Nämlich der belebende, oft swingende Rhythmus, der schon nach kurzer Zeit bei den Gästen den unbändigen Willen erzeugt, selbst zum Aktiven zu werden, der zumindest mitklatschen will, wenn Tanzen schon nicht geht.

Gelegenheit hierzu gab es nicht wenig bei diesem überaus farbenreichen und hervorragend besuchten Konzert. Schon die Eröffnung mit einer äußerst bewegungsreichen Version von „Oh, when the Saints go marchin‘ in“ machte klar, wohin die Reise gehen würde. Titel wie „Amen“, „Praise ye Lord“, oder „Ev’rytime I feel the spirit“ sorgten immer wieder dafür, dass Mitwippen und Mitschnippen eigentlich unvermeidlich waren. Der 30-köpfige Gospelprojektchor hatte in nur vier Wochen sein Repertoire bemerkenswert souverän und oft sogar auswendig singend auf die Beine gestellt.

Doch nicht nur vom Chor gab es Grooviges und manchmal auch fast therapeutisch Wohltuendes auf die Ohren. Iris Thierolf zeigte in mehreren solistischen und künstlerisch hochwertigen Klavierbeiträgen, wie fließend die Grenzen zwischen E- und U-Musik sind. Gemeinsam mit dem hervorragenden Saxophonisten Martin Förster wurde die Kirche nochmals von anderen Schwingungen erfüllt. Kaum jemand konnte sich dem höchsten Maß „sprechenden“ Klang von Sopran- und Altsaxophon entziehen.

Es imponierten die schwermütigeren Klänge von „Like a motherless child“, bei denen sich zu den wunderbaren Chorstimmen plötzlich das Saxophon dazugesellte. Dann bekam sogar der von seinen Auftritten mit der Kurpfalzphilharmonie Heidelberg bekannte Martin Förster selbst noch ein Ständchen – denn er hatte an diesem Tag Geburtstag.

Regelrecht bejubelt wurden Förster, Thierolf und der Gospelprojektchor vom Publikum, das es nicht mehr auf den Plätzen hielt. Im Schlusssong „We shall overcome“ wurde offenbar, was in seiner wörtlichen Übersetzung ein ganz besonderes Signal an diesem Abend war: „Wir werden es überwinden …“ Und die Musik wird dabei ein ganz wichtiges Element der Hoffnung sein.

Die Kirchengemeinde Beerfelden hat schon viele Gospelprojekte in den vergangenen Jahren durchgeführt. Von kleinen, überschaubaren Vorhaben, die im Rahmen von etwa fünf Wochen abliefen, bis hin zu großen Gospelmessen, für die eine Vorbereitung von bis zu einem halben Jahr erforderlich war, haben sich die Projektteilnehmer immer gerne den jeweiligen Herausforderungen gestellt. Das aktuelle war das zwölfte Projekt seiner Art.

Thomas Wilken


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