Mein Konfirmationsspruch
Da braucht man seinen Glauben und es tut besonders weh, wenn die Gottesdienste ausfallen müssen. Aber da kommen auch Dinge an die Oberfläche, die sonst vor lauter Alltag und Wohlstand irgendwohin geschoben worden sind. Da wird das, woran man sich erinnern kann, was man einmal gelernt hat, plötzlich wichtig, Bibelsprüche, Liedverse, Worte, an die man sich halten kann, Schätze, die plötzlich da sind.
„Kannst Du Dich an Deinen Konfirmationsspruch erinnern?“, habe ich im Sensbachtal ein Mädel gefragt, als sie gerade eine Pause vom Bedienen machen konnte, weil alle Gäste ihre Speisen bekommen hatten. Klar sagte sie direkt: Das ist mein Spruch: 'Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.' (Jesaja 43,1) Als ich sie Ende des letzen Jahres danach gefragt habe, war die Corona-Krise noch nicht im Blick. Jetzt bekommt dieses Bibelwort natürlich eine besondere Bedeutung. Aber das Mädel wusste schon vorher genau, dass es im Leben immer wieder Gelegenheiten gibt, da braucht man Zuspruch. Und sie hat mir das dann erklärt: „Mein Konfirmationsspruch hat mich angesprochen, da er mir durch seine ausdrucksstarken Worte sofort aufgefallen ist. Er gibt mir beim Lesen ein Stück Geborgenheit, und, so seltsam es sich auch anhören mag, einen gewissen Teil an Selbstvertrauen!“
Meine Enkeltochter Malika hat mir gesagt: Mein Konfirmationsspruch steht im Römerbrief (15,7): „Nehmet einander an, wie auch Christus uns angenommen hat.“ Weißt Du Opa, diesen Konfirmationsspruch habe ich gewählt, weil ich gegenseitiges Annehmen und Toleranz sehr wichtig finde und der Meinung bin, wir sollten dem guten Beispiel nachgehen.
Seit ich gemerkt habe, dass viele die Frage nach dem Konfirmationsspruch nicht als zudringlich empfinden und dass ich immer wieder offene Antworten bekomme, habe ich weiter gefragt.
Ich staune darüber, dass ich bei meiner Runde durch die Oberzent und durch Bullau viele Menschen antreffe, die ihren Konfirmationsspruch direkt sagen können, obwohl man manche nur bei besonderen Gelegenheiten in der Kirche begrüßen kann.
Ein besonderes Erlebnis hatte ich, als ich in einer Gastwirtschaft auf den Stammtisch eines Männerchors traf. Auf meinen fröhlichen Gruß: „Guten Abend ihr Sänger!“ hat einer gesagt: Das ist ja eine seltene Gelegenheit, dass ich einen Pfarrer sehe, aber nicht, dass Du denkst, ich wäre kein Christ. Ich sage dir mal meinen Konfirmationsspruch! Und weil sein Nachbar sich nicht lumpen lassen wollte, hat er seinen dann auch gesagt, und so ging die Runde weiter, lauter gestandene Männer haben, einer nach dem anderen, ihre Konfirmationssprüche aufgesagt. Ich habe nur gestaunt und gelernt, dass noch viele Werte unseres Glaubens da sind, auch wenn man sie nicht sieht, wenn die Zeiten normal sind. Ich bin aber sicher, dass sie da sind, wenn man sie braucht, und dass sie helfen, Krisen zu bestehen.
Bei manchen habe ich gespürt, wie viele gute Gefühle sie mit ihrem Spruch verbinden. Mein Freund Manfred hat mir gesagt: Weißt Du, wir haben uns diese Sprüche damals ja nicht selbst ausgesucht wie die Konfirmandinnen und Konfirmanden heute. Uns ist dieses Bibelwort zugesprochen worden. Das war eine Verpflichtung und ein Geschenk zugleich. Mein Konfirmationsspruch: „Wie wird ein junger Mann seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält an deine Worte.“ (Psalm 119,9) Und das habe ich mein ganzes Leben lang getan, so gut ich es eben konnte.
Heute suchen sich unsere Konfirmandinnen / unsere Konfirmanden ihre Sprüche selber aus. Sie denken an das, was vor ihnen liegt, dass sie Kraft brauchen, dass sie die Anforderungen des Lebens bestehen müssen und dass es gut ist, einen Bibelspruch zu haben, der ein Leben lang mit einem geht. Wenn man als Pfarrer dann vor der Konfirmation die Zettel mit den Sprüchen einsammelt, staunt man manchmal. Da hatte man einen Konfirmanden, der hat immer wieder was angestellt und hat deshalb Ärger gehabt. Der kam mit dem Spruch aus 1. Samuel 16: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“ Das war ihm wichtig: Auch wenn Ihr immer wieder meckert, ich bin doch gar nicht so schlecht, ich kann das nur nicht zeigen und es ist gut, dass hier einer ist, der mein Herz ansieht!
Manchmal sieht man bei einem Besuch in der Gemeinde eine Konfirmationsurkunde irgendwo an der Wand hängen. Die Sonne hat die Schrift ausgebleicht und man kann kaum noch lesen, was da einmal gestanden hat, aber man bekommt gesagt: Mein Konfirmationsspruch ist mir wichtig!
Mir sind bei meinem Weg durch die Gemeinde viele gute Sprüche gesagt worden. Die kann ich hier nicht alle bringen. Ich frage aber: Können Sie sich an Ihren Konfirmationsspruch erinnern? Vielleicht ist er ja in den Wechselfällen ihres Lebens irgendwo hin geräumt worden. Haben Sie Ihre Konfirmationsurkunde noch? Auf dem Weg durchs Leben, auf dem Weg durch alle Krisen brauchen wir Zuspruch und Mahnung. Schauen Sie mal. Vielleicht ist Ihr Konfirmationsspruch ein Schatz. Es lohnt sich, ihn mal zu herauszusuchen, ihn mal ganz neu zu lesen, ihn mal zu sagen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Entdecken dieses Schatzes.
Dieter Borck, Pfr.i.R.