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Angedacht - Bist du ein König?

Die Frage des Pilatus: Bist du der Juden König? (Johannes 18)

Vor nahezu 30 Jahren habe ich mir in einem Urlaub ein Schachspiel gekauft. Nein. Ich spiele es so gut wie nie. Mir fehlt das strategische Verständnis. Dennoch ist Schach – das Spiel der Könige, für mich ein faszinierendes Spiel.

Gefallen und angesprochen hat mich seinerzeit seine Gestaltung. Herausgeformt ist es aus rötlichem und weißem Speckstein.

Man nennt es das „Spiel der Könige“ aus gutem Grund. Denn genau darum geht es ja: Alle Figuren dienen nur dem einen Zweck: Sie schützen die Figur des Königs. Jede Spielfigur hat eine andere Berechtigungen der Fortbewegung: diagonal, rechtwinklig, versetzt, Feld um Feld oder in großen Bahnen. So entsteht ein komplexes System. Jede einzelne Figur für sich genommen ist in seiner Bewegung nicht kompliziert. Aber das Zusammenspiel der Figuren, das ist komplex. Eine Kleinigkeit reicht aus, um den König in Gefahr zu bringen. Die Sicherheit des Königs zu gewährleisten, ist das oberste Ziel. Alles dreht sich um den König…

Da fällt mir ein Kirchenlied ein. Ich singe es nicht so gerne. Die Melodie ist schön. Aber der Text gefällt mir nicht: Jesus Christus herrscht als König.

Angenommen, Jesus der Nazarener würde dieses Lied hören. Was er wohl denken würde? Ich vermute ja, er wäre nicht glücklich über diese Wortwahl. Es wird erzählt, er wäre einmal zu diesem Thema befragt worden: Johannes überliefert, wie Pilatus versucht, Schuld an Jesus zu finden. Er fragt ihn: Bist Du der Juden König?

Die Antwort Jesu klingt ausweichend: „Wer sagt Dir das?“ Und ich höre es in heutiger Wortwahl: „Wer bringt Dich auf diese Idee?“. Dann folgt eine weitere Antwort: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre es von dieser Welt, dann…“ und Jesus entfaltet ein Szenario von Gewalt.

Was ist nun? Ist Jesus ein König?

 

Unsere Vorfahren im Glauben hatten einen sehr besonderen Weg mit dem Königtum. Nachdem das Volk Israel sesshaft geworden war und sich Palästina zu eigen gemacht hatte, wollte es sein wie alle Völker. Dazu gehörte auch das Greifen nach Zeichen von Reichtum und Pracht, das Steben nach Symbolen von Herrschaft, Unabhängigkeit, Sicherheit und Souveränität. Für all das stand damals ein König. So fingen die Israeliten an mit Gott zu streiten: Wir wollen einen König! Aber durch seine Propheten lies Gott immer wieder ausrichten: Ich habt den einen Gott – Ihr braucht keinen König. Wenn ihr Gottes Geboten und Gottes Weisung folgt, braucht ihr keinen König, der Euch mit Gewalt regiert. Die Gefahr von Machtmissbrauch in Selbstsucht und Eigennutz ist zu groß. Aber sie hörten nicht auf einen König zu fordern.

Schließlich bekommt das Volk seinen Willen. Saul wird der erste König. Und nur selten geht es gut mit den Königen. Fragwürdig sind sie alle. Und alle sehen sich selbst als das Zentrum aller Macht, die sie allzu oft mit blutiger Gewalt zu sichern suchen. Solche Herrscher gibt es bis heute. Aber heute heißen sie nicht nur „Könige“. Heute nennen sie sich auch Präsidenten und erschleichen sich Macht mit manipulierten Wahlen.

Jesus Christus herrscht als König?

Mein Schachspiel erzählt mir eine kleine Geschichte. Alle Figuren sind einzigartig. Der König mit seinem Bart und seinem spitzen Hut, die Dame, der Springer… Man darf Handarbeit vermuten… Sie sind unverwechselbar.

Auch unersetzbar?

Es ist ärgerlich. Ich habe den weißen König verloren. Ist das Spiel nun nicht mehr spielbar?

Ich habe Ersatz gefunden:

Ein weißer Stein hat seinen Platz eingenommen. Seine Funktion im Spiel kann durch etwas anderes dargestellt werden. Ich brauche diesen besonderen König nicht. Damit das Spiel spielbar bleibt, muss dieser Spielstein nichts „Besonderes“ sein. Er ist in seiner Funktion problemlos ersetzbar.

Ich erkenne: Für mich ist Jesus, der Nazarener, nicht ersetzbar oder austauschbar. Seine Art, Menschen anzusehen und ihnen Segen zu schenken , ihnen Hoffnung zu stärken, sie zu ermutigen, ist einzigartig. Was ich in den Berichten seines Wirkens entdecke, ist eine unverwechselbare Art, Menschen ernst zu nehmen, ihre Not und ihre Hoffnung zu teilen und ihre Würde zu achten. Für ihn geht es nicht um Funktionen. Bei ihm gilt nicht: Einer ist der König und die anderen sind als Bauern, Turm, Läufer, Springer oder Dame lediglich Spielsteine zu Sicherung von Macht und Gewalt. Ihm geht es um Beziehungen und um den Respekt vor den Begabungen der Mitmenschen.

Wie heißt die Jahreslosung? „Du bist ein Gott, der mich sieht“. Ein König schickt seine Leute. Sie sind sein Besitz und sie haben zu funktionieren.

Gott sieht uns an. So ist er ein Gott, der mit uns trauert und leidet, der sich mit uns freut und hofft. Er „schickt“ uns nicht. Er hofft auf Überzeugung, auf Nachfolge in Nächsten- und Feindesliebe. Er ist ein Gott, der „Du“ zu uns sagt, der unseren Namen kennt und nennt, weil wir ihm wichtig sind und weil er uns ernst nimmt. Er will eine Beziehung zu uns. Immer wieder neu.

Ich bin dankbar, dass Sie, Du und ich, dass wir alle Gottes Blick wert sind.

Ich bin dankbar, dass er ein Gott ist, der uns ansieht.

Eine gesegnete Zeit wünscht Ihnen

Reinhold Hoffmann, Pr.


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